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Beschreibung

Die großen Rätsel des Universums

Die elegantesten Experimente in der Geschichte der Physik sind für mich die, bei denen ein origineller Blick auf etwas Alltägliches Aufschluss über unfassbar große Objekte gegeben hat. So bestimmte der griechische Gelehrte Eratosthenes den Umfang der Erde, indem er die Winkel der Schatten miteinander verglich, die lotrechte Messgeräte zur selben Zeit an verschiedenen Orten geworfen haben. Zwei Jahrtausende später wies der Franzose Léon Foucault die Erdrotation nach, ohne dafür gen Himmel schauen zu müssen. Sein berühmt gewordenes Pendel beschrieb eine Rosette über dem Fußboden des Panthéon, welcher sich im Tagesverlauf unter der Schwingungsebene der trägen Masse hinwegdrehte. Das Untersuchungsobjekt Erde betrachten wir inzwischen von oben, doch beim Universum geht das nicht. Wir sind auf Tricks angewiesen – auf moderne Varianten der Geniestreiche von Eratosthenes und Foucault. Unser Wissen über den Kosmos fußt zwangsläufig auf dem, was wir von der irdischen Umgebung aus erforschen. Und einige der schwierigsten Rätsel entstehen beim Versuch, sich aus dem Verhalten des Nahen einen Reim auf das Ferne zu machen, über dessen physikalische Gesetze wir nur begründet spekulieren können. Etwa bei der alten Frage nach Leben in anderen Ecken des Alls. Indem wir unsere Sonne genauer beobachten, lernen wir viel über die Entwicklung anderer Sterne (S. 6 und S. 14). Und unser Nachbarplanet, die Venus, verrät uns vielleicht mehr darüber, was einen völlig lebensfeindlichen Felsplaneten von einem bewohnbaren unterscheidet (S. 18). Mit spezialisierten Teleskopen haben Astronomen bereits Tausende von Exoplaneten gefunden, und bald werden dank neuer Missionen tausende weitere dazukommen (S. 24). Doch wie viele der erdgroßen Exemplare um sonnenähnliche Sterne sind mit unserem wohltemperierten Planeten vergleichbar und wie viele mit der Gluthölle der Venus? Letztlich können wir das umso besser abschätzen, je mehr wir über unsere benachbarten Himmelskörper wissen. Die Strategie, mit nahen Phänomenen weit entfernte zu verstehen, hat aber auch ihre Tücken. Das zeigt der Streit unter Kosmologen um die Rate, mit der sich unser Universum ausdehnt. Je nachdem, wo und wie man sie misst, weichen die Werte voneinander ab (S. 48). Liegt das vielleicht daran, dass wir uns in einer Umgebung des Alls befinden, die etwas andere Eigenschaften hat als das Universum insgesamt? Solche Ortsabhängigkeit gibt es übrigens ebenfalls beim foucaultschen Versuch: Der Effekt ist je nach Position unterschiedlich stark ausgeprägt – ein Pendel am Nordpol beschreibt in genau 24 Stunden eine volle Umdrehung, eines am Äquator dagegen ändert seine Richtung nie. In Paris kommt die Schwingung nach rund 30 Stunden wieder an ihren Anfangspunkt. Wie verbinden wir also etwaige lokale Eigenarten mit den großen Zusammenhängen? Wie seit Jahrtausenden: durch Nachdenken – und durch laufend neue Beobachtungen, mit denen wir die Ideen überprüfen. Mike Beckers, Redaktion Spektrum der Wissenschaft.

EAN: 9783958925250

 

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